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Von Schummlern, Moglern und mediengeilen Plagiatsjägern, von gekauften und abgeschriebenen Doktortiteln 28. Februar 2011

Posted by DL2MCD in Grund und Sätzliches, Nervensägen.
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Guttenberg hat es geahnt: Kurz vor dem Plagiats-Desaster meinte er sinngemäß, auch mit seiner Beliebtheit könne es ganz schnell zuende gehen.

Dieses Risiko geht jeder Politiker und Journalist ein: Wer in der Öffentlichkeit steht, wird beobachtet und durchleuchtet und kann sich keine Fehler erlauben. Überhaupt keine. Von daher war Guttenberg schön blöd, für einen Titel, den er gar nicht gebraucht hätte, der reine Eitelkeit war, seine Glaubwürdigkeit zu riskieren.

Nun ist mir ein KriegsVerteidigungsminister per sé, aufgrund seines Jobs, nicht unbedingt symphatisch, und was seine Frau auf RTL II abgezogen hat, ist auch nicht der Hit: Sittenstrolche, die sich gern an Minderjährige heranmachen, erst im Chat zu verführen und sie dann auf RTL II vorzuführen ist ebenso fragwürdig, wie Terroristen als V-Mann erst noch zum Bombenbasteln anzustiften.

Andererseits weiß man ja, woran man erkennt, daß Politiker oder Anwälte lügen – ja, genau: Die Lippen bewegen sich. Also bitte, was hat man denn erwartet?

Wenn sich aber auch der berüchtigte „Plagiats-Jäger“ Stefan Weber zum wiederholten Male publicityträchtig in der Guttenberg-Affäre präsentiert, obwohl er diese Doktorarbeit zuvor gar nicht kannte und hier gar nicht involviert war, dann scheint mir das Ganze doch nur ein ziemlich kindisches Vergnügen zu sein, einen Medienstar nun genüßlich zu schlachten, den man zuvor ebenso überflüssigerweise total hochgejubelt hatte.

Mein erster Artikel, den ich vor Jahren bei Heise Online veröffentlichte, wurde keine 3 Stunden später von einem PR-Dienst geklaut, also nicht nur teilweise, sondern komplett 1:1 kopiert und als Pressemeldung verschickt. Nein, nicht ganz 1:1 – meinen Namen entfernte man. Ich erfuhr davon, weil mir die Leser vorwarfen, ich hätte meinen Artikel – in dem Insider-Kontakte und längere Recherchen steckten – bei Pressetext.at abgeschrieben.

Statt einer Entschuldigung sagte der Chef von Presstext.at nur „Ihr schreibt doch eure Artikel, damit sie gelesen werden“. Ja, gelesen schon, aber doch bitte unter meinem Namen und da, wo ich ihn veröffentlicht habe! Ein Honorar für den geklauten Artikel zahlte man nicht, man nahm ihn nur aus dem Archiv. Dem Verlag war dies egal.

Wenn man dagegen umgekehrt eine Pressemeldung benutzt, die von Natur aus dafür bestimmt ist, veröffentlicht zu werden, sieht Stefan Weber hierin plötzlich im Gegensatz zum vorherigen Fall ein Plagiat und schwärzt den Redakteur, mit dem er zuvor durchaus zu tun hatte, auch noch hintenrum bei seinem Chef an, damit der gefeuert wird.

Man kann sich natürlich darum streiten, ob das Arbeiten mit Agentur- und Pressemeldungen Qualitätsjournalismus ist, wobei es im strittigen Fall keine simple Übernahme des Textes war und es eine „Unterhaltungsnews“ am Sonntag nachmittag war (ja, im Journalismus gibt es keine Wochenenden oder Feiertage!). Plagiarismus ist es aber nicht. Dazu fehlt nämlich das Kriterium, daß der Urheber des betreffenden Textes mit der Übernahme nicht einverstanden ist

Bei Fotos, die urheberrechtlich weit kritischer sind, weil es hier im Normalfall gar keine „Zitate“ außer dem „Vollzitat“ geben kann, wird übrigens ohne Bedenken zu Agenturmaterial und Pressemappen gegriffen. Hier macht sich kaum jemand wie ich die Mühe, seine Fotos selbst zu schießen und auch „Promis“ selbst abzulichten, statt auf deren Pressefotos zurückzugreifen, was ja recht teuer werden kann, besonders bei denen, die eh‘ schon kaum Geld haben.

Bei Guttenberg ist es dagegen klar ein Plagiat. Doch hat Guttenberg zumindest versucht, eine Doktorarbeit zu schreiben. Andere kaufen sich ihren Doktor einfach beim Titelhändler.

So jemand war beispielsweise Geschäftsführer einer Firma für TV-Telefongewinnspiele. Also diese Betrugsnummern, wo manche Leute wirklich glauben, etwas gewinnen zu können, wenn sie kostenpflichtig anrufen und dann aber auch beim 80. Mal wieder nicht ins Studio durchgestellt werden.

Verklagte dann einen Journalist und Blogger wegen eines mitten in der Nacht eingestellten Kommentar auf dessen Blog, die der Sonntag morgen schon wieder gelöscht hatte. Da hatte es den Herrn Geschäftsführer geärgert, daß der Blogger über ein solche Gewinnspiele kritisch beleuchtendes Forum und die Prozesse gegen dieses berichtet hatte, und er wollte ihm so finanziell eins reinwürgen. Ein Geschäftsführer eines solch fragwürdigen Unternehmens darf sowas.

Etwas ganz anderes ist dann aber, wenn der Blogger daraufhin entdeckt, daß dieser Geschäftsführer längere Zeit einen Doktortitel in seinen Pressemeldungen benutzt hat, plötzlich aber nicht mehr. Ja klar, der Titel war gekauft und mußte daher wieder gelöscht werden, als dies aufflog.

Doch ganz im Gegensatz zum vorherigen Prozeß ist dies nun plötzlich juristisch gesehen klar eine „Racheaktion“ des Bloggers, der vom Richter im Münchner Landgericht mit Seitenhieben auf seinen Grimme-Preis (als ob man von dem solche Prozesse bezahlen oder auch nur leben kann) mit deutlich sichtbarer innerlicher Genugtuung „verknackt“* wird: Es sei Privatsache des Herrn Geschäftsführers, die Schlamperei mit dem Doktortitel, denn der habe angeblich nicht gewußt, daß sein Doktor nur gekauft sei und deshalb dürfe nicht publik gemacht werden, daß er mal Dr. war und nun nicht mehr. Und hier schützt Unwissenheit nicht nur vor Strafe, sondern auch vor Berichterstattung, denn die Pressemeldungen mit Doktortitel in seinem Namen hat der Geschäftsführer ja selbstverständlich rein privat als Hobby verschickt und keinesfalls etwa als Geschäftsführer seines Unternehmens, ebenso wie es natürlich privates Hinterherschnüffeln eines total bösartigen, gehässigen Journalisten ist, wenn dieser auch die Namen in Pressemitteilungen liest und sich merkt.

Der Anwalt des Geschäftsführers hat bereits vor der – wohlgemerkt explizit öffentlichen! – Gerichtsverhandlung die anwesenden Journalisten ausgefragt und diesen erklärt, daß sie hierüber keineswegs berichten dürfen, auch nicht ohne Namensnennung der Beteiligten. Nein, sonst könnten ja andere Kollegen etwa so einen teuren Prozeß vermeiden, das darf natürlich auf gar keinen Fall passieren, und man muß nunmal Leuten, die eh‘ schon wenig Geld haben, das bißchen Kohle gefälligst auch noch hämisch vor Gericht wegzocken.

Doch auch das reicht dem Geschäftsführer und seinem Anwalt immer noch nicht: der Anwalt hatte ja die Medien der anwesenden Journalisten erfragt – diese waren dummerweise ehrlich genug, ihm auf diese Frage zu antworten – und schickt dorthin sofort Faxe der Anwaltskanzlei, die vom Münchner Landgericht I nicht weit weg residiert. Bevor die Journalisten also von den Gerichtstermin überhaupt zurück sind, der sie nur sinnlos Zeit gekostet hat, weil sie ja eh‘ nicht darüber schreiben dürfen, ist ihr jeweiliger Chef schon auf 180, was sie denn da schon wieder für einen Mist gebaut haben. Die Folgen: Ein Kollege bekommt „nur“ einen ernsten Rüffel, ein anderer darf nie wieder für sein Magazin schreiben, wenig später auch nicht mehr für diesen Verlag, ist also nicht nur diesen Auftrag los, sondern komplett „draußen“.

Und ja: Bis heute darf über so etwas – also gekaufte Doktortitel – nicht berichtet werden. Obwohl das Führen gekaufter Doktortitel definitiv eine Straftat ist. Hierzu zählt es auch, wenn man sich einen „Dr. h.c. B.G.“ kauft – was erlaubt ist – und dann hartnäckig vergißt, das „B.G.“ auch anzugeben.

Der abgeschriebene Doktortitel des Herrn Guttenberg mag zwar auf derselben dämlichen Eitelkeit beruhen wie die derjenigen, die sich gleich die Doktorarbeit ganz sparen und sich den Titel kaufen – auch von denen häte keiner einen „Dr.“ gebraucht. Doch ist es schon etwas merkwürdig, daß moralische Maßstäbe nur bei denen angesetzt werden, die sich im Leben zumindest ab & zu anständig verhalten, während die Justiz jenen, die dies ohnehin eher selten tun, auch noch behilflich ist.

* Ansich war es ein Vergleich – wenn aber eine der beiden Parteien viel Geld hat und die andere wenig, kommt das trotzdem auf „verknackt“ hinaus

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