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Bilitis & Co.: gestern hip, heute Altherrenphantasie… 12. Juli 2013

Posted by DL2MCD in Pleiten, Pech und Pannen.
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Was war es in den 70ern nicht turbulent – geschmacklose Möbel, auf der einen Seite die keifende Alice Schwarzer (ok, die gibt es immer noch), auf der anderen Seite die auslaufende Aufklärung, die noch vor der Verbreitung von Videorekordern darin endete, daß eigentlich jedes Großstadtkinohaus mit mehr als zwei Sälen ein Kino hatte, in dem geraucht werden durfte und Sexfilme liefen. Dieser alberne Krams, der später dann in RTL lief, von „Laß jucken Kumpel“ bis zu „Es jodelt in der Lederhose“ mit abgegriffenen Kalauern, gegen die „Ballermann 6“ oder „Otto 3“ hochgeistig waren.

Als hohe Kunst galt dagegen „Bilitis“. Überall lief der Soundtrack, und überall hingen die Weichzeichnerfotos von David Hamilton. Bei uns in der Schule mußte allerdings der nackte Po (!) eines Hamilton-Mädchens im Raum der SMV abgedeckt werden – sinnigerweise mit einem Stück Klopapier. Das sah dann natürlich prompt aus, als ob die Gute… (Details dem Appetit der Leser zuliebe gestrichen).

Ich erinnere mich noch, im „Cinema“ in der Nymphenburger (!) Str. in München liefen diese Filme, und auch andere. Irgendeinen, den man unbedingt gesehen haben mußte, dessen Titel ich heute nicht mehr weiß. Spätnachts, ewig lang.

An der Kasse drückte man mir allerdings noch unerwartet eine Dose Mokkabonbons in die Hand. Die lehnte ich erst ab, der Film war doch schon teuer genug, doch da klärte man mich auf, daß ich für mein Geld keineswegs den Eintritt zum Film bezahlt habe – das sei sonst nämlich problematisch, der Eintritt sei daher frei – sondern diese Dose englische Mokkabonbons. Immerhin war man ja in München, also in Bayern. Da muß man sich vorsehen.

Erstaunlich fand ich, in wievielen Zimmern anderer Leute ich im Laufe der Jahre diese Mokkabonbondosen wiedersah, die es außerhalb dieser Filmvorführungen in Deutschland nie gegeben hatte. Immer wieder ein Anknüpfungspunkte für Gespräche.

Die Handlung fand ich damals komplett sinnfrei, angeblich war es die sexuelle Erfahrung und Befreiung einer WG, doch das Ganze war absolut unglaubwürdig. Halt ein Softporno, trotzdem ein Porno, wo ja eine sinnvolle Handlung nur selten gefragt ist, mehr eine sinnesvolle. In Erinnerung blieb mir nur ein Motto, angelehnt an ein Lied der Stones. Richtig, „Catch your Dreams“ hieß der Film. Ich mußte vor dem Ende gehen, der letzte Zug heim fuhr, aber ich hatte auch nicht das Gefühl, noch etwas Wichtiges zu verpassen.

Heute allerdings würde wohl niemand mehr zugeben, diesen Film gesehen zu haben und beim Anblick dieser Mokkabonbondose, wenn er sie noch wiedererkennen würde, höchstens peinlich berührt die Örtlichkeit verlassen. Und David Hamilton gilt nun nicht mehr als Kitschknipser, sondern als alter Lustmolch.

Alice Schwarzer brauchen wir auch nicht mehr, heute wird ein Mann bereits von Seinesgleichen der „Altherrenphantasien“ verdächtigt, wenn er irgendwelche Anspielungen oder Witze macht. Das dürfen nur noch Frauen.

Kommentare»

1. WoBa - 12. Juli 2013

>Ich erinnere mich noch, im “Cinema” in der Nymphenburger (!) Str. in München liefen diese Filme, und auch andere. Irgendeinen, den man unbedingt gesehen haben mußte, dessen Titel ich heute nicht mehr weiß. Spätnachts, ewig lang.

http://de.wikipedia.org/wiki/Deep_Throat_(Film)

Und stimmt: für viele Zuschauer war der 61-Minuten-Film viel zu lang…

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DL2MCD - 12. Juli 2013

LOL, nee, Deep Throat war kein Soft-Porno, sondern ein „richtiger“. Ob der auch im Cinema lief, weiß ich nicht mehr, gesehen habe ich ihn nicht und heute wird er nicht mehr gezeigt, weil man inzwischen weiß, daß nicht nur die Story Bullshit war, was ja bei Pornos normal wäre, sondern auch die Hauptdarstellerin dazu gezwungen wurde.

Aber 61 Minuten für einen Porno, das ist sicher vielen zu lang, da haste recht.

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2. WoBa - 12. Juli 2013

Doch, Deep Throat lief ewige Jahre im Münchner Cinema.

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DL2MCD - 12. Juli 2013

Na mir hat wohl „Bilitis“ und „Catch your dreams“ gereicht, um kein Interesse mehr zu haben.

Aber es war damals eben absolut angesagt, sich das anzuschauen – kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen…

> Gesendet: Freitag, 12. Juli 2013 um 09:09 Uhr

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