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Krieg der Oszilloskopenhersteller 11. April 2011

Posted by DL2MCD in Nervensägen.
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oszi-krieg

An ein unerfreuliches Ereignis meiner Laufbahn, das ich eigentlich inzwischen abgehakt hatte, auch wenn es bis heute Folgen hat, wurde ich durch das nebenstehende Anzeigenmotiv (bitte anklicken zum Vergrößern) wieder erinnert:

Der Kampf der drei führenden Oszilloskopenhersteller, der teilweise auf dem Rücken und auf Kosten von Fachredakteuren geführt wird bzw. wurde!

Für einen Funktechniker, Elektroniker etc. ist ein Oszilloskop ein wichtiges Hilfsmittel. Wir sprechen hier allerdings von High-End-Oszilloskopen, mit denen sich elektrische Signale bis in den zweistelligen GHz-Bereich als Wellenform auf einem Display (früher: Braunsche Röhre, heute: LCD) darstellen lassen. Damit sind auch die Anschaffungskosten im fünfstelligen €-Bereich. Das heißt, jeder Käufer bringt dem Hersteller einiges ein. Es ist also zugegeben nicht trivial, ob man hier ein Tektronix-, Agilent- oder LeCroy-Oszilloskop kauft. Dies ist seit Jahren die feste Reihenfolge in Sachen Umsatz/Verkauf im Markt.

Erfreulich ist, daß auch diese High-End-Hersteller inzwischen günstige Oszilloskope im Sortiment haben, die auch für Hobbyelektroniker finanzierbar sind. Und auch der Münchner Funkspezialist Rohde & Schwarz hat inzwischen Oszilloskope im Sortiment – unter der Marke Hameg, die mittlerweile ebenfalls zu Rohde & Schwarz gehört, auch solche für unsereins, die Leute, die sich auch privat für Elektronik interessieren oder nur eine kleine Werkstatt haben und etwas Billigeres brauchen.

Ok, was mich betrifft: Ich habe Ende 2000 mein Oszilloskop – ein Heathkit 2 x 10 MHz-Gerät – verkaufen müssen, wie auch meine Funkausrüstung, um einen teuren verlorenen Prozeß abzuzahlen. Seitdem habe ich weder Zeit noch Geld, das Basteln wieder aufzunehmen, zumal der Prozeß sich damals auch gegen mein Amateurfunkhobby gerichtet hatte.

Wenn ich allerdings jetzt ein Oszilloskop anschaffen würde, dann vorzugsweise ein Rohde & Schwarz / Hameg. Als zweite Wahl ein Agilent. Als dritte Wahl ein Tektronix. Und nur im äußersten Notfall ein LeCroy.

Dabei halte ich persönlich die LeCroy-Geräte eigentlich technisch für die besten.

(Man muß allerdings auch sagen, an der Spitze sind sie sich alle nahe – und wer ein Gerät unterhalb der Spitze nimmt, sollte einfach sehen, welches zu ihm am besten paßt.)

Warum ich LeCroy – trotz einer kurzen Aussprache auf der Electronica – aber immer noch lieber nur mit ganz spitzen Fingern anfasse, hat mit obiger Anzeige bzw. dem dahinter stehenden Kampf der drei Hersteller zu tun und mit meinem früheren Job als Redakteur für Meßtechnik.

Kurz gefaßt: Die ersten drei im Markt liefern sich einen ziemlich heftigen Krieg. Insbesondere Tektronix und LeCroy gehen sehr aggressiv gegen die anderen vor.

Das dürfen sie ja gerne tun.

Wo es jedoch unschön wird, ist, wenn man als Redakteur zwischen die Fronten des Oszilloskopenkrieges gerät.

Konkret bildete sich ein Mitarbeiter von LeCroy nämlich leider ein, ich möge die Marke nicht. Störte sich daran, daß ich auf Pressekonferenzen interessierte Fragen stellte, was a) mein Job ist, b) normalerweise die Presseleute der Hersteller freut (denn in der Elektronikfachpresse werden Hersteller und Geräte normal nicht verrissen), c) auf echtem Interesse und Faszination beruhte.

Als ich dann einen Fachartikel von Tektronix zur Redaktion bekam, in dem ein Produktmanager des Unternehmens sinngemäß (mit seinem Bild und Namen daneben) sagte „Wir liefern korrekte technische Angaben, während Wettbewerber diese mitunter beschönigen“, bekam ich dicken Ärger: Der Pressesprecher von LeCroy war sauer – und zwar nicht auf Tektronix, sondern auf mich! Beschwerte sich bei meinem Herausgeber, erklärte diesem „mit diesem Satz meinen die uns, die fahren schon seit einem halben Jahr eine Kampagne gegen uns“.

Der Herausgeber reichte mir dies 1:1 durch: Zukünftig hätte ich Artikel von Tektronix vor der Veröffentlichung LeCroy zum Gegenlesen vorzulegen! Damit LeCroy schon vor der Veröffentlichung sich dazu äußern könne und hiervon nicht überrascht werde.

Tektronix fand dieses Ansinnen nicht komisch, denn LeCroy hätte dann ja per einstweiliger Verfügung Tektronix zukünftig jedes derartige Statement schon vor Veröffentlichung untersagen lassen können.

Tektronix erklärte dann überrascht, dieser Kommentar wäre gar nicht gegen LeCroy, sondern Agilent gegangen. Die hätten (auch) „gemogelt“.

Die Folge des Ganzen war jedoch, daß ich bei der anstehenden Redaktionsverschlankung infolge eines Verkaufs der Zeitschrift an einen anderen Verlag vom neuen Herausgeber gegen den Willen meines Chefs von Angestelltem auf „festen Freien“ umgestellt wurde, also denselben Job wie zuvor für nur noch 25% der Bezahlung zu tun hatte – und zudem freiberuflich. Im Journalismus ist das so üblich, denn die Arbeit muß ja getan werden, aber bitte ganz billig, und feste Angestellte will man sowieso tunlichst nicht, damit man nach Belieben von heute auf morgen mal eben ein paar Zeitschriften zu machen kann.

Was mich das dann über die Jahre gekostet hat, nun, dafür hätte ich mir wohl ein gutes LeCroy-Oszilloskop kaufen können…erst eben einige Jahre Freiberuflichkeit mit nur noch 1/4 Verdienst, und auch heute verdiene ich nicht mehr, was ich einmal bekommen habe und muß jeden Monat drauflegen…

Als ich dann schließlich den Fachjournalismus in dieser Form aufgab, wagte keiner meiner Kollegen dort mehr, das Ressort „Meßtechnik“ zu bedienen. Die Zeitschrift hat deshalb heute auch keine Meßtechnik mehr im Redaktionsplan, schreibt also nicht mehr über Tektronix und Agilent, aber auch nicht mehr über LeCroy. Eigentlich dumm gelaufen und schade. Aber verständlich.

Wer da nun wirklich mit der Lehmschmeißerei angefangen hat bei den dreien, kann ich nicht beurteilen und bewerten. Ist mir auch egal, das ist deren Krieg, nicht meiner! Aber zumindest hat mich weder Tektronix noch Agilent je unter Druck gesetzt – und von Agilent war mir bis dato überhaupt keine aktive Teilnahme am BrowserOszilloskopenkrieg bekannt. Inzwischen hat man dort offensichtlich die Schnauze voll und macht auch mit. Aber immerhin fair: In einem bezahlten Inserat. Dabei zieht man keine Unbeteiligten mit in die Keilerei hinein. Und inzwischen ist vergleichende Werbung ja erlaubt.

Trotzdem bin ich froh, mich nicht mehr mit so etwas herumschlagen zu müssen. So faszinierend ich Funk- und Meßtechnik auch finde. Nur genau deshalb habe ich im heutigen Fachjournalismus auch keine Chancen mehr: Da ist es ja eher hinderlich, etwas von dem zu verstehen, über das man schreibt…gar es zu mögen statt zu hassen.

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